Samstag, 15. April 2017

Ein Hoch auf die internistische Standarduntersuchung.



 „Also“ sagte Frau Hutvernichts Hausärztin, „sie bekommen ja kaum noch Luft!“ Die Hausärztin stopfte gewissenhaft alle Unterlagen in einen großen braunen Umschlag und bestand darauf, dass der Rettungsdienst inklusive eines Notarztes Frau Hutvernicht persönlich in ein bewährtes Klinikum in der Umgebung transportierte.
Auf ihrer Einweisung notierte sie, sie verdächtige eine Verschlechterung der schweren chronischen Bronchitis auch COPD genannt, die Frau Hutvernicht durch ihre langjährige Arbeit in einer Raucherkneipe erworben hatte. Krankheiten die man nicht haben möchte.
Der Notarzt setzte auf der Fahrt sein ganzes Arsenal an Anti-COPD-Medikation ein. Cortison. Inhalationen. Morphin. Zack, war er auch schon im Krankenhaus und händigte die Patientin schnell dem Dienstarzt aus. Denn so richtig toll hatte diese Notarzttherapie nun auch nicht geholfen.
„Hallo Frau Hutvernicht“, sagte ich zu meiner neuen Patientin und fragte sie gleich mal unsere Standardatemnotfragen. Links von mir nahm Schwester Margit solange Blut ab. Frau Hutuvernicht war aktuell irgendwie leicht grau im Gesicht, sonst aber stabil. Fragte man sich nur, wie lange noch.
Ich beschloss Frau Hutvernicht noch schnell zu untersuchen, so wie man das als Arzt halt tut. Über Lunge war auch gleich das typische Pfeifen zu hören, dass die meisten COPD Patienten aufweisen. Allerdings nicht sehr ausgeprägt. Vermutlich wirkten die Notarzt-Medikamenten nun doch, dachte ich erfreut. Einziges Problem: Viel besser sah die Patientin jetzt nicht aus. Schnell noch das Herz abhört und zur Komplettierung der ordentlichen internistischen Untersuchung betrachtete ich noch Frau Hutverneints Beine, ob denn Wasser eingelagert wäre.
Hier triggerte mein Internistenalarmknopf: „Das rechte Bein ist ja ganz dick, ist das normal bei ihnen oder neu?“
„Ja“, erklärt Frau Hutvernicht, „vor ein paar Wochen waren beide Beine dick, wegen Wassereinlagerungen und meine Hausärztin hat mir Wassertabletten verschrieben. Da ist das eine Bein wieder dünner geworden, das andere aber nicht.“
„Oh hm“, sagte ich und zerrte ein Ultraschallgerät in Frau Hutvernichts Kabine. Auf dem Bildschirm lachte uns sofort eine große Thrombose in der Oberschenkelvene rechts entgegen.  Von solchen Gerinnseln bricht gerne mal ein Gerinnselteil ab, wird in die Lunge geschwemmt und bleibt dort stecken. Zum Ärger aller. Ich setzte den Schallkopf über’s Herz. Dessen rechte Kammer war riesengroß. Ein Hinweis darauf, dass hier tatsächlich etwas prominent wichtige Lungengefäße verstopfte und Blut ins Herz zurückstaute.
Deswegen und nicht wegen der COPD bekam Frau Hutvernicht auch nicht genug Luft. Und deswegen hatte auch die vorherig ausgeklügelte Therapie nicht funktioniert.
Frau Hutvernicht bekam dann aufgrund der schweren Lungenembolie eine Lysetherapie und tatsächlich ging es ihr auch zügig wieder besser.
Ein Hoch auf die internistische Standarduntersuchung, inklusive Beinbetrachtung.




3 Kommentare:

  1. Bestes Beispiel für "Keine Diagnose durch die Hose" ;-)

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  2. sehr beruhigend zu wissen, dass es ärzte gibt, die nicht wissen was sie tun sollen wenn man eben jmd umfällt... nicht
    :-/

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