Sonntag, 29. August 2021

3 goldene Teelöffel

Es war schon dunkel als der Notarztpiepser piepste. Pieppieppiep, mehr Alarm. Bitte aufspringen und arbeiten! 3 Kinder hätten zusammen ein Waschmittelgelkissendings einer beliebten Waschmittelmarke verzehrt und jetzt ginge es ihnen schlecht. Mein Notarzt-Tablet führte dann auch gleich auf, dass Kind A nicht mehr richtig ansprechbar wäre, Kind B laut schreien und Kind C sich erbrechen würde.

„Na super“, dachte ich und ob jetzt auch drei Notärzte kämen oder nur ich, aber es sei wohl nur ich, dafür würde man aber drei Rettungswägen hinschicken. Meine bisherige Erfahrung mit dererlei bunten Gelkissen für die persönliche Wäschebetreuung hatte ergeben, dass ein überzeugtes Kind sich nicht von den großartigen Hinweisen: KEINE KINDER! Und SCHAUT AUF DIESE SYMBOLBILD MIT EINEM DURCHGESTRICHENEN KIND!; also das überzeugte Kind lässt sich da nicht davon abhalten, hebelt die Schachtel auf und beißt fröhlich in das Gelkissen. Fragt man sich nur wie man so einen Waschmittelpod jetzt gerecht drittelt auf drei Kinder und schmeckt das nicht sehr unangenehm? Naja die drei Kinder der Familie Binzele hatten das schon hingekriegt.

Wir fanden auch gut hin, weil wir kamen von weiter weg und bei Ankunft standen schon alle drei Rettungswägen und ein Helfer-vor-Ort-Auto außerdem vor Ort, so dass das Haus auf jeden Fall von weitem sehr
gut erkennbar war.

Gerade waren die freundlichen Notfallsanitäter unter Zuhilfenahme der verfügbaren Großmütter dabei, die Binzele-Kinder auf die anwesenden Rettungswägen zu verteilen.

Ich wanderte im Zickzack die verschiedenen Autos ab und sagte „Hallo“ zu Binzele Kind eins, zwei und drei, die sich erfreulicherweise alle von den initialen Problemen der Waschmittelingestion erholt hatten und mich freudig begrüßten. Keines erbrach ich, schrie oder war bewusstseinseingeschränkt. Das Stethoskop wurde interessiert inspiziert; allein Kind 3 protestierte, als es den Schnuller kurz hergeben sollte, damit ich mal kurz in den Mund schaue könnte.

Wir sprachen zur Sicherheit nochmals mit der Giftnotrufzentrale, die uns das gute alte Sab simplex empfahl. Normalerweise bei Blähungen u.ä. eingesetzt, wird es aufgrund der entschäumenden Wirkung auch für Spül- und Waschmittelnotfallsituationen gerne genommen. Da man das ganze sinnvollerweise oral einnehmen sollte, benötigten wir nun einen Teelöffel oder so etwas ähnliches.  Ein gut sortierter Rettungswagen hat auch alles Mögliche, aber keine Teelöffel (zumindest nicht in  Beteigeuze). Es wurde nun die Urgroßmutter eingesetzt, eine ausreichende Anzahl an Teelöffeln zu besorgen.

Kurze Zeit später war ich im Besitz drei goldfarbener Teelöffel und fühlte mich wie eine komische Fee, die versuchte das zähe Sab simplex in einer nicht so langsamen Geschwindigkeit in die Löffel zu tropfen/schütteln. Das erste Binzelekind war supergut erzogen und nahm alles ohne Probleme ein. Währenddessen hatte das Rettungspersonal schon mal den zweiten Löffel vollgetropft, weil das vorhin so langsam ging und der Vorteil war, dass der Löffel jetzt bereit war, der Nachteil war, dass ich den jetzt zum nächsten Rettungswagen rübertransportieren sollte. Und die Sabsimplexflasche. Und mein Tablet. Also vermutlich hätte man das alles strategisch günstiger planen können, aber als ausgebildeter Notarzt kann man natürlich drei Dinge auf einmal (inklusive gefüllter Teelöffel) tragen. Die Binzelekinder 2 und 3 waren ebenso höflich wie Kind 1 und nahmen entgegen meiner Befürchtungen ihre Teelöffel ebenfalls anstandslos zu sich. Da etwas unklar war, ob jetzt nicht doch einer zu Beginn bewusstlos gewesen war,  transportierten wir dann  am Ende alle zur Sicherheit in einem Konvoi zur Klinik.