Dienstag, 29. Mai 2018

Die Jugend von heute.


Es ist 20 Uhr am Abend. Herr Grooz betritt die Notaufnahme. Herr Grooz wartet zwei Stunden. Schwester Margarita drückt mir den Aufnahmebogen in die Hand und raunt genervt: „Herr Grooz, 25 Jahre alt, unspezifisches Unwohlsein seit 4 Wochen.“
Bilde mir gleich mal ein unfreundliches Vorurteil und stelle mir Herr Grooz als verweichlichte, jammrige Person vor, die aus Bequemlichkeit am Abend den Betrieb der Notaufnahme mit ihrem sicherlich gänzlich unwichtigen Problem aufhalten wird, anstatt einfach mal zum Hausarzt zu gehen. Die Jugend von heute, jaja.
Herr Grooz erzählt er fühle sich seit 4 Wochen richtig unwohl, aber eher so unspezifisch un-wohl. Beim Hausarzt wäre er schon gewesen und im Krankenhaus in Ursa Major Minor in der Notaufnahme, aber keine wüsste was los wäre. Er sei doch nicht verrückt. Ihm gehe es schlecht. Unkonkret schlecht.
„Hmhm“, sage ich und untersuche Herrn Grooz, wenn man fest auf dem Bauch herumdrückt tut es weh und wenn man fest auf den Rücken klopft tut es auch ein bisschen weh. Aber nur wenig.  Vermutlich ein unspezifischer, viraler Infekt, denke ich mir schon mal eine Diagnose für den Ambulanzbrief aus.
Schwester Margarite bringt mir ein Papier mit Herrn Grooz Blutwerten, leicht erhöhte Leberwerte. Hm, wie war das nochmals mit meinen initialen Vorurteilen… Mein Gehirn grumpelt sich durch mögliche neue Diagnosen:
Eine Medikamentenintoxikation? Pilze? Alkohol? Hepatitis? Fancy Autoimmunerkrankung? Vielleicht ist es ja auch etwas Banales wie eine infektiöse Mononukleose, auch wenn Herr Grooz keine der typischen Symptome wie Lymphknotenschwellungen oder Halsschmerzen aufweist. Das Labor macht mir gleich einen Mononukleoseschnelltest und ich schreibe mir noch ein paar weitere Dinge auf, die man tun sollte. Hepatitisserologie, vielleicht ein paar Autoantikörper bestimmen, natürlich ein Ultraschall, eventuell eine Leberbiopsie. Oder einfach mal Abwarten.
Bingzing, hier ruft das Labor an. Positiver Schnelltest auf infektiöse Mononukleose. Das war ja einfach. Ich plane die glorreiche Verkündigung der Diagnose und Herrn Grooz dann endlich heimzuschicken. Pfeiffersches Drüsenfieber kann man auch daheim haben.
Zur Supersicherheit mache ich noch einen Ultraschall. „Aber warum?“, sagt Herr Grooz, der sehr erleichtert ist, dass man endlich weiß, was los ist.
„Naja“, sage ich und schiebe den glitschigen Schallkopf auf seinem Bauch herum, „bei so einer infektiösen Mononukleose, da kann es zu einer Vergrößerung der Milz kommen. Und ganz, ganz selten dadurch auch zu einem Einriss des Organs. Aber das ist echt selten. Also machen sie sich keine Sorgen… Hmhm und hier ist ja auch ihre Milz. Die ist deutlich vergrößert. Jaja, sagte ich ja. Also die Milz und da hmhm ja da … oh… als das tut mir Leid, aber da sieht man deutlich einen Riss in ihrer Milz.“
Blöd.
Herr Grooz übernachtete dann auf der Intensivstation von Allgemeinchirurgen mit Argusaugen überwacht.
Von wegen unwichtiges Problem, das nicht in die Notaufnahme gehört. 



3 Kommentare:

  1. Manchmal ist es dann doch ein Zebra.

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  2. Eigentlich hätte doch sowas beim Hausarzt rauskommen sollen. Aber der hatte bestimmt verständliche Angst um sein Laborbudget... Traurig eigentlich.

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  3. Lass ich raten, Du arbeitest am KaS?

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