So war es nun wieder ein ereignisreiches Wochenende
gewesen, das sich in einen ereignisreichen Sonntagabend neigte.
Die Zahl der Internisten hatte sich auf eins reduziert
und eins das war ich.
Alle Kabinen der Notaufnahme waren voller
erwartungsvoller Patienten, die Pflegefachkräfte (ein genderneutrales Wort)
rannten hin und her und ich stand irgendwo dazwischen und tat, was Ärzte halt
so tun.
„Nun“, sagte Schwester Margarita, „Schau‘ im Flur, da
liegt Herr Lokodakof. Mit Bauchschmerzen. Er muss sicher noch lange warten,
aber kannst du schon mal einen Vorabblick herauf werfen?“
Ich ging, Herr Lokodakof lag aufgrund Kabinenmangel auf
einer Liege in einer Flurnische und hatte dort Bauchschmerzen. Nicht allzu
schlimm, vermutlich ein Magen-Darm-Infekt. Wir würden etwas Blut abnehmen, ihm
schon mal ein Schmerzmittel geben und später noch einen Ultraschall machen.
Zwei Stunden später und mehrere echt dringende Notfälle
auch später, lag Herr Lokodakof weiter im Flur und beschwerte sich lautstark
über die Wartezeit und dass das Schmerzmittel nicht geholfen hätte.
Aufgrund Herrn Lokodakofs Lokalisation im Flur war ich in
genannten zwei Stunden nun aber in hoher Frequenz an ihm vorbeigependelt. So
hatte ich ihn unter anderem dabei beobachtet, wie er ein von seinem Bruder
herbeigeschafftes Mahl verzehrt und recht unbeeinträchtigt ein Spiel auf seinem
Tablet vollbracht hatte. Daher hatte ich auch angenommen, die Schmerzen wären
gut behandelt und äh vielleicht auch das Problem an sich nicht ganz so schlimm.
Nun denn, wer weiß, ich sicherte dem Patienten ein
anderes Schmerzmittel zu und erklärte es wäre viel los und er müsse noch etwas
warten, die Blutwerte hätte ich schon gesehen. Diese wären in Ordnung.
Etwas mehr Zeit verging, draußen wurde es nun dunkel. Es
kam die Polizei. Mit sich brachten sie einen Herren, der sich im Dunkeln sehr
aufgeregt und mit Hilfe erhöhten
Alkoholskonsums an einer Schlägerei teilgenommen hatte. Im Rahmen dessen wäre
er auch aus Versehen gegen eine Wand gelaufen, welche dadurch beschädigt wurde.
Ob man den Herren denn so in Haft nehmen könne, wollte die Polizei wissen.
Der Herr an sich schien selbst nicht weiter beschädigt zu
sein, wenn auch deutlich betrunken und recht unglücklich über die Anwesenheit der
Polizei und deren Anmaßung ihn einfach so mitzunehmen. Daher schrie er auch
sehr laut ausgesuchte Beleidigungen in Richtung aller Beteiligten und versuchte
eine erneute Schlägerei mit den Anwesenden zu beginnen.
Aufgrund der sehr präzisen Beleidigungen und der auch
sonst recht zielgerichteten Schläge, erschien mir der Mann nun nicht allzu sehr
beeinträchtigt und ich hätte ihn liebend gerne für haftfähig erklärt. Neben mir
erschien nun aber auch der Psychiater und rief aufgeregt: „Dieser Mann ist in
einem psychischen Ausnahmezustand! Sie müssen ihn aufnehmen.“ „Wäre das nicht
ein psychiatrisches Problem?“ wandte ich ein, während der Herr einen der
Polizisten als „Dumme Fotze“ bezeichnete und auf die Nase schlug. „Psychischer
Ausnahmezustand“ rief der Psychiater wieder und spritzte dem Patienten Haldol.
Dann ging er wieder weg, der Psychiater, denn jetzt war der Patient ja ruhiger
und außerdem war er betrunken, das war auf jeden Fall ein internistisches
Problem. Oder so ähnlich.
Unter Haldol konnte ich den Mann nun auch sicher nicht
der Polizei wieder mitgeben, wir gaben ihm also ein nettes Krankenhausbett und
stellten ihn damit in den Sonographieraum, damit wir ihn nochmals ordentlich
untersuchen konnte und außerdem war ja sonst kein Platz mehr da. Hier erbrach
sich der Patient in einem 2 Meter 50 langem Bogen und traf zielgerichtet unser
50 000 Euro Sonographiegerät.
Schwester Margarita befand sich nun auch in einem
psychischen Ausnahmezustand und ich ging aus dem Raum heraus, da ich nicht
sicher war, ich mich nicht auch gleich erbrechen sollte.
Es traf ich nun sogleich auf Herr Lokodakof, welcher mich
unerfreut aufhielt. Das andere Schmerzmittel habe auch nicht geholfen, keiner
kümmere sich um ihn und nun auch das! Er habe ganz genau gesehen dieser Patient
im Sonoraum, der sei gerade erst gekommen und SOFORT an die Reihe gekommen. Und
er müsse nun schon so lange warten.
Ich versucht nun eine vernünftige Erklärung zustande
zubringen, von wegen, dass er ja gesehen hätte, dass man diesen anderen Patienten
aus offensichtlichen Gründen nicht alleine lassen habe können.
Herr Lokodakof
ignorierte diese Argumentation. Er werde nun in ein anderes Krankenhaus
gehen. Und uns, uns würde er anzeigen.
An dieser Stelle stürmte Schwester Margarita aus dem
Zimmer. „Ja,“ rief sie erbost, „hier sehen sie ist ja schon die Polizei, da
könne sie gleich ihre Anzeige aufgeben!“ Sie wedelte mit ihrem Arm in Richtung
des Polizisten, den unser Patient auf die Nase geschlagen hatte und beide
Polizisten schauten Herrn Lokodakof
missmutig an.
An dieser Stelle verließ Herr Lokodakof das Klinikum
Beteigeuze und ich rannte ihm hinterher um ihm seine Blutwerte mitzugeben.
Geile Story. Beschreibt so ziemlich meinen Dienst am Wochenende. Lange ist es ruhig und BOOM treffen 100 PatientInnen (genderneutral!) gleichzeitig ein, alle kotzen und haben Schmerzen und die Polizei steht rum, dann kommt noch ein Ambulanzwagen, und so weiter und so fort.
AntwortenLöschenIch nehme an, die Zeichnungen stammen von dir? Falls ja: Hammer. Falls nicht: trotzdem Hammer.
das sind so Tage...die verlangen nach einem Sangria-Eimer mit Haldol und einem Strohhalm in der Wunschfarbe :P
AntwortenLöschenDie Bilder macht der Zorg. Weil dieses Blog so superanonym ist, kann ich nicht mehr zur Identität des Zorgs verraten. Aber vielen Dank für das nette Kompliment :)))
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