Dienstag, 13. Oktober 2020

Wutanfall in Socken

 

Herr Glipp hatte in der Bar engagiert Frauen belästigt, die damit nicht einverstanden waren, woraufhin die Security ihn nach draußen warf, was Herrn Glipp nicht erfreute, so dass die Polizei kommen musste. Die Polizei wollte keinen Stress und versuchte Herrn Glipps Personalien festzustellen um ihn dann des Platzes zu verweisen. Herr Glipp befand dies für eine zu unkomplizierte Lösung, weigerte sich zu gehen und verhielt sich generell sehr unfreundlich gegenüber allen Beteiligten, speziell auch den Polizisten, welche ihn schließlich mitnahmen, auf dass Herr Glipp in einer Zelle übernachten könne.

Dies tat Herr Glipp für einige Stunden, um gegen 3 Uhr nachts zu beschließen, dass er nun keine Lust mehr hätte. Nachdem lautes Schreien und Schimpfen zu keinen Ergebnissen geführt hatten, warf er sich nun auf den Boden, wälzte sich hin und her und schlug sich dabei Knie und Hände auf.

Die Polizei ordnete dies als selbstverletzendes Verhalten ein und beschloss den Rettungsdienst zu rufen. Dies half nicht und deswegen weckte man den friedlich schlafenden Notarzt.

„Bonjour“; sagte ich, denn ich war der Notarzt und Herr Glipp sprach nur Französisch. Außerdem konnte ich nicht viel mehr Wörter auf Französisch sagen. Herr Glipp antwortete laut schimpfend sich weiter auf dem Boden windend und rief wiederholt „Merde“, ein weiteres französisches Wort in meinem Vokabular.

Weil ich ungern die Situation mit Spritzen und einer Vielzahl an Leuten die sich dabei auf den Patienten werfen eskalieren wollte, versuchte ich weiter auf hartem Polizeiboden kniend ein freundliches Gespräch und bot dem Patienten eine sedierende Tablette an. Herr Glipp rief ich solle gefälligst Französisch mit ihm sprechen, setzte sich aber immerhin auf, was prinzipiell ein guter Fortschritt zu schreiend-über-den-Boden-rollend war. Sitzend führten wir nun eine längere „Diskussion“, ob Herr Glipp nun diese Tablette nehmen würde, oder vielleicht auch so zur Ruhe kommen könnte, denn eigentlich wollte ich Herrn Glipp nicht mitnehmen, nur weil dieser einen prolongierten Wutanfall hatte. Herr Glipp rief wiederholt „Merde“ (und andere Dinge), ich versuchte pseudofranzösische Sätze mit Wörtern wie „calme“ zu formulieren und der Rettungsdienst rief verärgert im Hintergrund, dass man doch endlich mal so einen intramuskuläre Spritze mit beliebten Beruhigungsmitteln anwenden solle.

Dies fand ich zu viel des Guten und weil Herr Glipp jetzt endlich weg von der bösen Polizei wollte und lieber ins „l‘Hôpital“ stand er sogar freundlicherweise auf. „Äh wollen sie ihre Schuhe anziehen?“ „NON!!“ Also gingen wir auf Socken durch die Polizeiwache. An der Tür bekam Herr Glipp einen neuen Wutanfall, weil es draußen regnete und er keine Schuhe anhatte.

Nachdem wir auch das ertragen hatten, stieg Herr Glipp selbstständig in den Rettungswagen und sagte nochmals „Merde!“.

Im Krankenhaus freuten sich alle und Herr Glipp trat nach einer Krankenschwester, weil der Tag so noch nicht schlecht genug war. Man legte Herrn Glipp daraufhin in ein Fixierbett, damit er nicht noch mehr Leute treten würde.

Dann ärgerte ich mich was für ein Idiot Herr Glipp eigentlich war. Mit wenig Mühe hätte er dieses ganze für ihn ebenso unerfreuliche Theater vermeiden können.

Im Anschluss lief ich an der Krankenhauskapelle vorbei, deren Tür offen stand und den Blick auf ein beruhigendes Lichtspiel freigab, was mich ablenkte; dann ging ich wieder schlafen. (So 2h oder so. Dann fiel jemand die Treppe runter.)  

 


 

 

 

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