Samstag, 1. September 2018

„Halt 1x vernünftig“



Frau Gramzo hatte Herzrhythmusstörungen. Man verabreichte der Patientin daraufhin ein beliebtes Standartpräparat, den Betablocker. Dann nahm Frau Gramzo an Gewicht zu und vermutete, dass diese neue Tablette Schuld war. Leider waren nun aufgrund diverser Vorerkrankungen und Allergien nicht alle Alternativen möglich, die die fancy Medizin so bot.


Deswegen setzte man das äh alles wieder ab. Daraufhin hatte Frau Gramzo eine Herzfrequenz von 140/min und weil das auf Dauer schlecht war, schickte ihr Hausarzt die Patientin in eine nahegelegene Klinik, die prompt den Betablocker wieder ansetzte.


So befand ich mich nun plötzlich täglich mehrere Male im Zimmer von Frau Gramzo, die regelmäßig Wutanfälle oder anders geartete Verzweiflungsattacke erlitt, denn den Betablocker wollte sie jetzt echt nicht nehmen. Ich erklärte sehr lange und ausführlich warum der Betablocker nötig wäre und warum die anderen Alternativen in ihrem Fall nicht möglich seien. Nach zwei Tagen drohte Frau Gramzo aus dem Fenster zu springen. 


Ich sprach also denn mit meinem Oberarzt ob dieser Problematik und der Oberarzt grumpelte missmutig: „Ha der Frau muss man das halt einmal vernünftig erklären. Dann versteht sie das schon!“  Nachdem ich der Patientin nun schon mehrere Male alles ausführlich und vernünftig erklärt hatte, erklärte ich genanntem Oberarzt, dass er doch bitte selbst so eine vernünftige Erklärung vorführen sollte.


Es folgte der Folgetag und die Oberarztvisite. Mit sonorer Stimme und strenger Miene erzählte mein Oberarzt die Geschichte vom Betablocker. Frau Gramzo fragte misstrauisch nach, brach jedoch zum ersten Mal nicht in Tränen aus und nickte am Ende verständig. Ja, da würde sie das Medikament halt mal einnehmen.


Tja, dachte ich mir, jetzt musst du mal gut überlegen, was du falsch machst. 


Dann ging ich nochmal ins Patientenzimmer, um bei der Nachbarpatientin eine Kanüle zu legen. Frau Gramzo winkte mich sogleich heran: „Also Frau Zorgcooperations: Der Oberarzt gerade eben, der war ja nicht so gut! Zum Glück sind SIE meine Stationsärztin.“ Hmhm.


Am Ende gelang dann aber tatsächlich die Behandlung mit dem Betablocker und dem Versprechen, dass sich Frau Gramzo bei Problemen jederzeit in unserer ambulanten und kardiologischen Sprechstunde melden durfte.









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