„Jaja“, sagte Dr. Gnombille, „Verstehe, sie wollen endlich
Facharzt werden, aber Ihnen fehlen noch Endoskopien? Also da teilen wir sie auf
die Station 611 ein, da ist ja immer wenig los und sie können nebenher ALLE
Untersuchungen machen, die ihnen belieben und bald sind sie Facharzt, haha!“
Dr. Gnombille teilte mich glorreich gleich ein und ich konnte mein Glück kaum
fassen.
„Haha und guten Morgen“, sagte der Chefarzt, „willkommen zu
unserer tollen Frühbesprechung in welcher wir Radiologen bedrängen und der
Dienstarzt im Rekordtempo von seinen Erlebnissen berichtet. Wie sie wissen ist
ja gerade diese Coronakrise. Nach mehreren geheimen Gesprächen, deren Inhalt geheim
ist, haben wir festgestellt: Blöd, aber da müssen wir uns mit diesem Krankenhaus
beteiligen und ein internistischer Arzt muss
alle potentiellen Covid19 Fälle betreuen, also entscheiden ob man Abstriche
machen, Abstriche an sich machen usw. Äh ja, also wer kann das machen? Am Besten
sie Frau Zorgcooperations. Sie sind jetzt ja auf der Station 611, da haben sie bestimmt
nichts zu tun und äh herzlichen Glückwunsch, sie sind es jetzt: der Coronaarzt.
Viel Spaß.“
Gargh.
Bald wusste ich die beliebtesten Urlaubsziele der
Beteigeuzer Lehrerschaft: nämlich Südtirol und wenn nicht das, dann zumindest
Mailand, auch bekannt als Coronarisikogebiete. Auch Ärzte gehen gerne dorthin.
Gargh zwei.
Ein Tag als ambulanter Coronaarzt:
Kurz nach 8, winkend verabschiede ich meinen Oberarzt, der
jetzt alleine Visite auf Station 611 macht. Er will mir später einen Zettel mit
dem Wichtigsten hinlegen (oder auch nicht ähm).
Halb 9 oder so. Vor der Klinik stapeln sich die
Verbotsschilder: Betreten verboten, nur Befugte, kommen sie bloß nicht rein,
und wenn sie glauben Covid19 zu haben, dann folgen sie diesen roten Pfeilen um die
halbe Klinik herum zu einer Extratür, die wir aus einem bodentiefen Fenster
gebastelt haben. Warten sie bitte mehrere Stunden lang an jener Stelle bis wir
sie drannehmen können zusammen mit anderen potentiell Coronaverdächtigen und
wenn sie vorher kein Covid19 hatten, dann ist dies ein guter Ort es zu
bekommen.
Innen im Zentrum sind ich und 3 Pflegekräfte. Die Anweisung
von RKI und Klinikleitung: Nur Risikopatienten MIT Symptomen abstreichen. Wir
haben zu wenig Testkits und das Labor ist superüberlastet. Bis zum Testergebnis
warten wir ca. 2 Tage.
Wir haben sogar eine neue Lieferung an flimsigen, nicht
passenden FFP2 Masken bekommen. Vielleicht ist aber auch einfach mein Kopf so
deformiert. Ich gehe in die Notaufnahme und besorge aus dem Restbestand alter Masken
eine, die dicht sitzt und seitlich keine Löcher für fliegende Coronatröpfchen lässt.
Vermutlich kommt sowieso bald die Person, die hier in der Klinik Desinfektionsmittel
und Schuhe (warum?) klaut und nimmt die Masken mit.
Im Coronazentrum streiken derweil PC und Drucker. Deswegen
können wir erstmal gar nicht machen außer mit der IT zu telefonieren („Also von
unserer Seite aus funktioniert doch alles?“ – „Gä? Bei uns aber nicht?“) Jeder
zu Testende muss nämlich erstmal das wichtigste überhaupt: seine Krankenkasssenkarte
abgeben, auf das wir ihn in den PC aufnehmen, 50 Kleber mit seinem Namen
ausdrucken und den Hausarzt notieren.
Nun denn nach einer halben Stunde sind wir soweit, die IT
hat über Fernwartung Teile der Probleme behoben (ins Zentrum traut sich keiner)
und wir sammeln die ersten Patienten. Nach kurzer Befragung: WO waren sie, haben
sie einen Covid19 Patient getroffen und haben sie ÜBERHAUPT Beschwerden,
entscheiden wir uns für einen Abstrich oder nicht. Dieser Schritt scheint viele
Leute zu verwirren, so dass ich bald darauf vor der Klinik stehe und laut rufe:
„WIR MACHEN KEINE TESTS, WENN SIE KEINE SYMPTOME HABEN!!!“ Hierauf reduziert
sich die Zahl der Wartenden um die Hälfte.
Den Rest schleußen wir nun durch die deutsche Bürokratie. Nach
jedem Abstrich fülle ich 4-5 Formulare aus: Erst einen Bogen für die Klinik
WARUM in aller Welt ich jetzt den Abstrich gemacht habe, dann einen
Überweisungsschein für das externe Labor und außerdem einen Anforderungsschein
für dasselbe Labor WAS ich überhaupt will und WANN unser toller Abstrich war.
Außerdem brauche wir natürlich einen Meldezettel für das Gesundheitsamt, wer, hier
warum was wann hat und wenn der Patient in einem Risikogebiet war, dann bitte
auch diesen extra Risikogebietzettel für die Hygieneabteilung (?!?) und das
Gesundheitsamt, weil äh so Zettel sind ja immer gut. Dann noch einen Zettel,
wer von der Klinik jetzt Kontakt mit diesem Patienten hatte. Am Ende auf alles
einen Stempel, haha das wars auch schon, der nächste bitte.
Ich verbringe so den Tag damit 200-300 Zettel auszufüllen
und zu unserem großen Glück ist keiner schwer krank, was ein riesiger Pluspunkt
ist. Gegen 14.30 Uhr sind die Tages-äh-abstriche erledigt und ich begebe mich
mit einem Musmatschgehirn auf meine Station, an deren Eingang ein Schild hängt:
„Keine Besuche wegen Corona.“. Die Klinik hat versäumt eine einheitliche Schilderstrategie diesbezüglich vorzugeben, so dass ich mich
sehr an den kreativen Schilder des Pflegepersonal freue, die von formlosem
Besuchsverbot (s.o.) über anschauliche Besuchsverbotsdiagramme bis zu Drohungen
gehen, die Polizei einzuschalten, solle man doch wagen diese Station zu
betreten.
Bald macht das Gesundheitsamt eine Teststation auf. Wir
hoffen auf mehr Ruhe. Oder so ähnlich.
Oh wie schön!! Das allerbeste Bild bisher! Danke für deine tollen Berichte und den feinen Sinn:-)
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