Dann sagte mein Kollege: „Ich muss noch 5 Patienten
entlassen, kannst du diesen Notarztpiepser für 2 Stunden übernehmen.“
„Selbstverständlich“, sagte ich und stopfte den Piepser in meine Kitteltasche.
„PIEP“, sagte der Piepse daraufhin und ich rettete einen
alten Herrn mit Bluthochdruck aus dem Pflegeheim.
„PIEP“ sagte der Piepser gleich darauf wieder und ich stieg
in den nächsten Rettungswagen, der mich am Haupteingang erwartete.
„Jop“, sagte der Rettungssanitäter, „wir fahren jetzt zu
einer Geburt. Weißt du oder?“ Natürlich wusste ich von nichts und hoffte, dass
dies ein Witz wäre, denn Kinder hatte ich bis jetzt nur theoretisch im Buch zur
Welt gebracht. Während des Studiums hatten wir auch eine Babypuppe durch einen Modell-Frauenrumpf
befördert, äh und man konnte davon mitnehmen: Kind nicht fallenlassen.
Der Rettungssanitäter machte aber keine Witze, was man auch
an seinem kaltschweißigen Angesicht sehen konnte und so hofften wir, dass das
Kind vielleicht noch tief im Bauch der Frau lagerte oder möglicherweise schon
ganz draußen war; denn beides ist meist die einfachere Variante, bei welcher
man alles (Frau, Kind, Tasche) einpackt und schnell zurück in die Klinik fährt.
Zur Sicherheit wollte ich aber im Kopf nochmals alles Geburtsrelevante
durch gehen, was mir so einfiel und vielleicht auf meinem Smartphone etwas
nachschauen.
„Gahh, wir sind da!“ rief hier aber der Rettungssanitäter,
denn er war besonders schnell gefahren und die in den Fall Involvierten,
wohnten nur 5 min von der Klinik entfernt (zumindest, wenn man sehr schnell
fuhr). Meine mentale Vorbereitung hatte noch gar nicht so richtig gestartet und
ich stolperte aus dem Rettungswagen, der mitten auf der Straße angehalten
hatte. Dies war so, da ein wild winkender Mann auf eben jene Straße gerannt war
um uns anzuhalten. Panik war in sein Gesicht geschrieben, während er mit lauter
Stimme schrie: „Schnell, schnell der Kopf kommt schon! Schnell!“ Ich tat so,
als würde ich täglich Geburten beaufsichtigen und erklärte mit ruhiger Stimme,
wir würden uns nun professionell darum kümmern. Dann eilte ich dem Mann in die
Wohnung hinterher.
Auf einem großen Sofa lag seine Frau (vermutlich seine Frau)
und der Kopf des Kindes war auch schon draußen. Der Einpack- und unauffällig in
die Klinik-Fahrplan war damit vorbei.
Ich war nun unschlüssig, ob die Schattierung an tiefblau des
Kindeskopfes ein normaler Farbton im Rahmen einer Standardgeburt war oder doch
möglicherweise pathologisch.
„Hallo, ich bin der
Notarzt. Zorgcooperations“, sagte ich deshalb zu der Frau, während ich zwischen
ihre Beine griff und dabei überlegte ob dieses Kind sich vielleicht irgendwie
äh verhakt hatte und nun feststeckte (verhakt, genau…). In die korrekte
Richtung, wie das im Buch beschrieben war, schaute es auch nicht. Naja. „Äh
können sie vielleicht nochmal etwas pressen?“
Die Frau, die schon mehr Kinder als dieses eine geboren hatte, tat wie geheißen und ein weiteres Stück des Kindes flutschte mir entgegen. Ha. Noch halb in der Mutter steckend begann dieses nun sofort ungeduldig zu schreien und mit einem Arm zu wedeln. Dies erschien mir als supergutes Zeichen und ich gab dem Kind volle Punktzahl für Schreien und Wedeln auf dem initialen APGAR Score dessen weitere Punkte ich leider vergessen hatte da Internisten NIE einen APGAR Score in ihrem Alltag auch nur antreffen.
Nun denn wir gebärten das restliche Kind ohne Probleme aus
der Mutter.
Das übrige kaltschweißige Rettungspersonal wartete schon mit
zittrigen Händen und einer scharfen Schere auf meine Anweisungen wo um Himmels
willen sie jetzt diese Nabelschnur durchtrennen sollten. Ich wies und wir
wickelten das Kind in eine Rettungsdecke und ungefähr alle Handtücher des
Haushaltes, die Sanitäter 2 inzwischen eingesammelt hatte.
Dann packten wir alle inklusive den Handtuchvorrat der
Familie sofort ins Auto. Ich erklärte Sanitäter 2 beruhigend, dass es normal
wäre, wenn nach der Geburt aus der Vagina der Frau noch Blut käme, aber weil
ich keine Ahnung hatte WIEVIEL die normale Postgeburtsmenge so ungefähr wäre,
legten wir ganz schnell noch eine Kanüle und fuhren zackzack zurück in unsere
heimelige Klinik.
Die Hebamme fragte mich dort sofort nach dem APGAR Score und
ich zog einen Punkt vom initialen Score ab, weil es echt blau gewesen war das
Kind. Aber nur kurz. Den restlichen Score bekam ich nicht zusammen und die
geduldige Hebamme schätze mit mir die restlichen Punkte.
Mama und Kind waren dann wohlauf. Ha. Die Mutter hatte wie
es aussah den korrekten Betrag an Blut verloren. Also nicht zu viel und die
Plazenta verlor sie dann in der Klinik, was wohl gut für die Abrechnung ist.
Dann gab ich dem Kollegen den Piepser wieder zurück.
War evtl. die Nabelschnur um den Hals gewickelt oder gab es einen anderen, erkennbaren Grund, warum das Baby so blau war?
AntwortenLöschenDanke! Die Gynäkologin hat grad Tränen gelacht!
AntwortenLöschenP.S. Das ist quasi normal. Kinder kommen oft "blau" auf die Welt - z.B. auch wenn die Geburt einfach rasch verläuft. Rosa werden sie, wenn sie dann schreien. Die Nabelschnur ist meist unerheblich.
Ich lese deinen Blog wirklich gerne- aber mindestens eine Person auf dem RTW muss Notfallsanitäter oder Rettungsassistent sein ;)
AntwortenLöschenHilfe! Horrorvorstellung :D
AntwortenLöschenIch hätte absolut keine Ahnung auf welcher Höhe und wie die Nabelschnur zu durchtrennen ist.
Respekt!