„Wo ist denn meine verstorbene Patientin?“, fragte ich
die Schwester.
„Na in Zimmer 6“, sagte die Schwester.
„Hm“; sagte ich hieraufhin, denn in Zimmer 6 war ich
eigentlich gerade gewesen, zumindest in meiner Vorstellung. Zur Sicherheit ging
ich ein weiteres Mal ins Zimmer sechs, wo mir ein großer Mann freundlich
zunickte, während er Dinge in den Schrank räumte.
„Äh Entschuldigung, ich suche gerade eine andere
Patientin“, sagte ich und ging wieder zur Schwester um meine Frage zu
wiederholen: „Wo ist meine verstorbene Patientin, die Frau Meseli? Ich muss
doch noch die zweite Leichenschau machen.“
„Na, wenn sie nicht in Zimmer 6 ist, dann weiß ich das
auch nicht“, erklärte die Schwester wenig hilfreich.
Ich beschloss in der Prosektur nachzufragen, denn schon
einmal hatte man mir vor der zweiten Leichenschau einen Patienten vorzeitig
dorthin entführt. Nur, dass es damals mitten in der Nacht gewesen war und ich
um 3 Uhr morgens von der Pforte den Generalschlüssel leihen musste, um im
Anschluss alleine durch den Keller des Krankenhauses zu irren, durch mehrere
verschlossene Türen hindurch, bis in einen gekachelten Raum der Prosektur, wo
genau in der Mitte ein einsames Bett stand, welches mit einem großen Laken
verhüllt war (worunter sich der verstorbene Patient befand). Dies war
prinzipiell etwas gruslig gewesen, aber immerhin wusste ich seitdem den Weg zur
Prosektur.
„Ah hallo“, sagte die
Prosekturdame freundlich. Sie habe sich schon gewundert, meine Patientin Frau
Meseli wäre tatsächlich hier angekommen und man habe den Totenschein vermisst.
Naja, kein Wunder, denn diesen hielt ich ja noch fest umklammert, es fehlte doch
noch die zweite Leichenschau. Bezüglich solcher Dinge bin ich immer sehr
paranoid.
Meine Patientin war auch schon
in eines dieser Pathologenschubladen eingeordnet worden und die Prosekturdame musste
sie nun erst mal wieder für mich auf eine Trage herausfahren.
Vorsichtig entfernte ich das weiße
Tuch mit dem Frau Meseli bedeckt worden war. Friedlich und blass lag sie vor
mir, die grauen Haare waren zu einem ordentlichen Zopf geflochten worden, die
krumpelige Krankenhaushemdbekleidung war schon entfernt.
Doch dann fiel mein Blick auf
das Ende der Trage: Zwei geringelten Wollsocken prangten noch fröhlich an den
Füßen von Frau Meseli und zerstörten das trist-grau-blasse Gesamtbild.
Und das machte meinen Tag
gleich viel besser 😊.
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