Am Abend verließ Frau Heimbitt nach einem Krankenbesuch das
Klinikum Beteigeuze. Doch noch im Foyer mit Blick auf die aktuellen Nachtsterne
wurde ihr wohl irgendwie komisch, so dass sie sich hinsetzte. „Ist alles in
Ordnung?“ fragte die Pfortendame und löste den Reanimationsalarm aus. Denn Frau
Heimbitt antwortete nicht mehr.
Das Reanimationsteam rauschte herbei. Frau Heimbitt
konnte aber trotz großer Mühen nicht erfolgreich wiederbelebt werden. Das
Reanimationsteam ging wieder weg. Zurück blieb ich, denn irgendwie fühlte sich
nun niemand mehr zuständig und die goldene Regel des Klinikums Beteigeuze
lautete: „Wenn sich keiner zuständig fühlt, dann ist es auf jeden Fall ein
internistisches Problem.“ Der Internist, das war ich.
Mit Hilfe der Pfortendame fand ich schnell heraus, wen Frau
Heimbitt besucht hatte. Die erschrockene Freundin erklärte, Frau Heimbitt wäre
es geradeeben noch gut gegangen, eine engere Familie gäbe es wohl nicht. Ich
hatte Glück und erreichte den Hausarzt, der eine Abendsprechstunde hatte. Nein
Frau Heimbitt hätte außer etwas Bluthochdruck, keinerlei Erkrankungen gehabt.
Nichts was ihr plötzliches Versterben erklären konnte.
Da man nun aber von mir erwartete irgendetwas in den
Totenschein zu schreiben, fragte ich meinen Oberarzt, was immer eine beliebte
Strategie internistischer Assistenzärzte ist. Diese eilte gerade in seinen
ersehnten Feierabend und murmelte: „Da müssen sie „ungeklärte Todesart“*
ankreuzen.“
Dies hatte ich noch nie getan, jetzt aber schon
Dann rief ich die Polizei an, da das Formular dies
verlangte. 10 Minuten später stand eine Polizeisteife vor der Tür, die
missverständlicherweise glaubte, jemand wäre gerade umgebracht worden.
Enttäuscht rief der Alpha-Polizist nun seinen Vorgesetzten an, während der
Beta-Teil seines Teams, welcher anscheinend noch nie eine verstorbene Person
gesehen hatte, blass in der Ecke stand. Ich stand auch dumm in der Gegend rum.
Dann rief die Kriminalpolizei an und ein ärgerlicher
Kriminalpolizist fragte ob ich denn wirklich ungeklärte Todesart ankreuzen
wolle. Es folgte nun eine längere Diskussion in der der Kriminalpolizist rief
ER hätte „natürliche Todesursache“ angekreuzt und ich sagte Frau Heimbitt hätte
überhaupt keine Erkrankung, die dieses plötzliche Versterben rechtfertigen
würden.
Ob ich diese Entscheidung den überhaupt mit meinem
Hintergrund abgesprochen hätte?! Ja, natürlich, eine oberarztgestütze
Ankreuzung wäre das.
Na gut dann würden sie eben eine dreivierte Stunde lang
herfahren!!!
Zwei Stunden später rief mich die Pforte an, die
Kriminalpolizei wäre nun da und würde auf mich warten.
Super. Inzwischen fühlte ich mich, als hätte ich
persönlich die arme Dame in der Lobby ermordet.
Die Kriminalpolizei hatte wohl außerdem länger im Stau
gestanden und hielt mir nun einen Vortrag, dass in dieser Klinik viel zu viele
dieser Ärzte ungeklärte Todesart ankreuzen würden. Ich konnte mich zwar an
keinen einzigen Fall erinnern, nickte aber freundlich und die Beamten waren im
Anschluss auch erstaunlich nett. Man fertigte nun ein offizielles
Vernehmungsprotokoll an, machte Fotos von Frau Heimbitt und dann ging ich
schnell nachhause.
Frau Heimbitts Versterben wurde später wohl auf undefinierte Herzrhythmusstörungen geschoben.
Frau Heimbitts Versterben wurde später wohl auf undefinierte Herzrhythmusstörungen geschoben.
*„ungeklärte Todesart“ : Es gibt zwar keine Hinweise auf
eine Einwirkung von außen, die den Tod verursacht haben kann, aber trotz
ausreichender Recherchen, kann keine körperliche Erkrankung benannt werden, die
den Tod vermutlich verursacht hat.
Noch lustiger wird das Gespräch, wenn man sich ganz sicher ist "unnatürliche Todesursache" ankreuzen zu wollen. Z.B. Sturz -> Bruch -> OP -> Lungenembolie Aber: Ich lasse mich nicht von den paar Miesepetern (die meisten sind verständnisvoll und nett) dazu bringen eine Straftat zu begehen und wieder besseren Wissens eine andere als die von mir festgestellte Todesursache ankreuzen.
AntwortenLöschenDas war bei einer Kollegin mal "lustig". Die hatte eine Patientin betreut (sehr alt), die nach Sturz einen Bruch erlitt, im zeitlichen Zusammenhang mit der OP (kurz danch) einen massiven Schlaganfall (daher OP als Ursache zu sehen), dabei massiv aspirierte und eine fulminante Aspirationspneumonie entwickelte. Gerichtliche Betreuung zur Durchsetzung der Patientenverfügung bestellt. Nach Gespräch mit den Angehörigen wurde auf eine kurative Behandlung verzichtet. Die Patientin starb an der Lungenentzündung. Irgendwie wollten die Herren der Kriminalpolizei nicht einsehen, dass auch eine Lungenentzündung ein nicht natürliche Todesursache seinn kann...
Einfach super dein Blog!
AntwortenLöschenJedesmal beim lesen erwisch ich mich dabei zu grinsen oder zu überlegen wer dir denn die letzten Vorkommnisse aus unserem Hause verraten hat !
:)... Manchmal ist es schon krass wie sich die Kliniken des Universums gleichen....liebe Grüße und mach unbedingt weiter , Thorsten
Ich mag Ihren Blog, ich bin Internistin, niedergelassen und erkenne da durchaus mich vor 25 Jahren wieder..��
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