Und dann hatte ich also meinen ersten Nachtdienst und dachte: „Ahhh, das wird bestimmt schwer. Jetzt kommen die ganzen Notfälle.“
Am Tag zuvor schaute ich abends nochmal nervös meine Bücher durch und betrat
schließlich möglichst kompetent aussehend die abendliche Notaufnahme.
Erst mal passierte nichts und ich ging hin irgendwelches
Blut auf den Stationen abzunehmen.
Gegen 22.30 Uhr rief man mich an, ich solle mal
zurückkommen. Patient mit Brustschmerzen. „Uhhh“, dachte ich mir, „Vielleicht ein Herzinfarkt oder eine Lungenembolie.“
„Kabine 1“, rief die Aufnahmeschwester und da ging ich
dann hin.
Da saß also der Patient in Kabine 1 auf der Trage rum,
baumelte mit den Beinen und ich stellte mich freundlich vor: „Zorgcooperations
hallo“ „Kevin“, sagte der Patient. „Äh ja. Kevin. Was ist denn das Problem?“
„Ja“, sagte Kevin, „wenn ich mich so im Sessel zuhause
zurücklehne, dann habe ich so Schmerzen. Hier!“, er wedelte mit seiner Hand in
Richtung rechte Brustkorbhälfte, „seit einem halben Jahr habe ich das.“
Ich sagte erst mal nichts und Kevin erzählte mir noch,
dass er deswegen auch schon beim Hausarzt gewesen sei, aber der habe gesagt da
wäre nichts und ihm geraten mit Pilates anzufangen.
Irgendwie brachte mich dies alles aus meinem Anamnesekonzept,
weshalb ich erst mal dumm fragte: „Und haben sie angefangen mit Pilates?“
„Trage ich Makeup oder was?!“
„Hmhm, haben sie denn jetzt aktuell Schmerzen?“
„Nö.“
„Und warum kommen sie JETZT gerade hier ins Krankenhaus?“
„Na, der Hausarzt macht ja nichts.“
„Hmhm“, sagte ich und untersuchte meinen Patienten, der
aber echt nichts hatte. Dann schrieb ich zur Sicherheit ein EKG, welches ich
bestimmt als Superstandard-EKG an ein Lehrbuch hätte verkaufen können und ein
Labor nahmen wir auch ab, aber das war das schönste Labor, das ich jemals
gesehen hatte.
Ein Röntgenbild hätte man schon vor einem Monat gemacht,
sagte Kevin und da entschuldigte ich mich, schlug vor es noch mal bei einem
Orthopäden zu versuchen und schickte ihn wieder heim.
Außerdem hätte ich ihm fast vorgeschlagen doch mal mit
Pilates anzufangen…
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