Samstag, 27. Mai 2017

Schlechter Service



„Da habe ich diesen Husten, aber nicht so viel. Viel schlimmer ist, dass meine Nase zu ist. Da kann ich überhaupt nicht schlafen. Und Halsschmerzen habe ich auch!“
„Hmhm“, sagte ich und dachte mir als Arbeitsdiagnose mal das Schlagwort „Erkältung“ aus.
An dieser Stelle lugte Schwester Margarita, sorry Fach- und Gesundheitskrankenpflegerarbeiterin Margarita in die Aufnahmekabine und reichte mir eine lose Blattsammlung.
Irritiert blätterte ich das Bündel durch und wandte mich wieder meiner Patientin zu:
„Öh Frau Mahnziff. Hier lese ich gerade sie waren gestern schon da. Und vor drei Tagen ebenfalls. Man sie beides Mal gründlich untersucht und Blut abgenommen. Meine Kollegen vermuten eine Erkältung und haben ihnen geraten sich erst Mal eine Woche zu schonen, viel Tee zu trinken und etwas im Bett rumzuliegen. Warum sind sie denn heute wieder gekommen?“
„Na der Schnupfen und die Halsschmerzen sind IMMER noch da!“
„Aber Frau Mahnziff sie haben das Problem ja auch erst 4 Tage, wenn ich das richtig lese. So eine Erkältung dauert oft eine Woche und manchmal auch etwas länger.“
„ABER ICH HABE IMMER NOCH HALSSCHMERZEN!“
„Sie müssen Geduld haben Frau Mahnziff. Ihr Rachen ist im Augenblick etwas gerötet, aber man sieht nichts Schlimmes.“
„Morgen haben wir auch einen Termin beim HNO Arzt“, fügte Frau Mahnziffs Ehemann nun an.
„Ah. Hmhm. Und sie sind trotzdem heute hergekommen. Äh. Ja. Bitte probieren sie es doch nochmals mit Tee, Ruhe und Geduld Frau Mahnziff. Es gibt keinen Grund sie im Krankenhaus zu behalten. … Nein, ein Antibiotikum macht hier keinen Sinn. Das ist eine virale Erkrankung. Da hilft leider kein Antibiotikum.“ Ich gab dann noch einige Hausmittelerkältungstipps und den Hinweis auf den Hausarzt, der eine Erkältungserkrankung ebenso gut betreuen könne.
Frau Mahnziff verließ enttäuscht über diesen schlechten Service unsere Notaufnahme, kam zum Glück aber in den folgenden Tagen nicht mehr wieder.


Samstag, 20. Mai 2017

Eukalyptus-Extrablattfuß-Extrakt



Es war so Sonntagmorgen und die Arzt-to-do-Liste schrumpfte nicht unbedingt. Ich hüpfte gerade über Station 23, versenkte ein paar Kanülen und versicherte am Telefon, dass ich natürlich in 5 Minuten in der Notaufnahme erscheinen würde, um den Patienten mit unklaren Herzrhythmusstörungen feierlich zu begrüßen.
„Stoooop!“ rief hier Schwester Gerda, „du darfst nicht gehen!“ Leider bot sie mir an dieser Stelle kein großes Stück Kuchen an, sondern erklärte, ich müsse noch bei Frau Birkenhuf vorbei. Die hätte die ganze Nacht über geschimpft und keiner wüsste mehr weiter.
Ich hatte ganze Nacht geschlafen, bis auf die Zeit in der ich größere Teile der Serie „Gotham“ geschaut hatte. Ob das jetzt so eine kluge Entscheidung gewesen war, weiß ich auch nicht, aber ich ging hin zu Frau Birkenhuf und fragte was denn los wäre.
Ja nichts passiere hier in diesem Krankenhaus. Da wäre sie extra gekommen wegen der Beschwerden und keiner würde ihr helfen!
Ich setzte zur üblichen knappes-Personal-am-Wochenende-Erklärung an und ob denn akut Beschwerden da wäre.
„Natürlich“, sagte Frau Birkenhuf sie habe immer noch diese Schmerzen beim Atmen. „Möchten sie denn gern ein Schmerzmittel? In der Akte steht sie haben vermutlich eine Rippenfellentzündung.“
„Nein, nein, bloß kein Schmerzmittel!“ sagte Frau Birkenhuf. Sie nehme schon viel zu viele Medikamente. Da wolle sie nicht auch noch ein Schmerzmittel.
„Ah. Hhm.“
Daheim habe sie immer Inhaliert. Das habe auch gut geholfen.
„Ahja“, sagte ich, „wenn sie möchten können sie auch bei uns inhalieren. Ich werde es gleich der Schwester sagen, damit sie…“
„Nein, nein“, sagte Frau Birkenhuf, das wolle sie nicht, sie inhaliere nur mit dem Eukalyptus-Extrablattfuß-Extrakt von Milboni. Alles andere helfe nicht.
„Möchten sie es nicht einfach mal mit unserer Inhalationsmaske ausprobieren?“
„NEIN!“
An dieser Stelle starrte ich Frau Birkenhuf ratlos an. Diese realisierte nun zum Glück, dass ihr auf diese Weiße irgendwie auch nicht zu helfen war. Sie seufzte tief und entließ mich mit einem: „Ach gehen sie einfach wieder.“
Jop. Und auch ihnen einen netten Sonntag.
„Gotham“ könnte ich als Serie empfehlen.


Samstag, 13. Mai 2017

Foyerbegegnungen



Es war mitten in der Nacht. Draußen war es dunkel, innen aber nicht, denn in so einem Krankenhaus brennt immer Licht.
Das Foyer war menschenleer. Da ich dies so antizipiert hatte, hatte ich mir mit meinem Post-irgendwie-zu-lange-Schicht-Erscheinungsbild jetzt nicht so viel Mühe gegeben. Das auf links gedrehte T-Shirt würde ich a) zuhause sowieso wieder ausziehen und b) wurde es zur Hälfte von der angeknitterten Jacke überdeckt.
So eilte ich nun also eben jenes Foyer durchquerend dem Ausgang zu, als zwei ältere Herren die Klinik betraten, sich kurz umschauten und zielstrebig auf mich zu gingen.
„Haben wir vorhin mit Ihnen telefoniert?“
Ich hatte die letzten fünf Stunden eigentlich mit niemand telefoniert und starrte die Herren überrascht an.
„Wegen dem Spinnenbiss.“
„Nein. Sie haben nicht mit mir telefoniert.“ An eine Spinnenbissberatung hätte ich mich ganz sicher erinnert.
„Aber wir haben gerade eben mit einem Arzt wegen der Spinne telefoniert!“
Ich dachte überrascht darüber nach wie man mich in vergammelter Alltagskleidung als Arzt erkannt hatte und zum Glück winkte hier die Pfortendame die Herren zu sich heran und wies den Weg zur Notaufnahme.
Ich verließ den Ort des Geschehens verwirrt aber zielstrebig mein Privatbett aufsuchend. Mit Spinnenbissen kenne ich mich sowieso nicht aus.