Samstag, 27. Februar 2016

Ordnung in der Nacht



Gegen 21 Uhr hatten wir den Hämoglobinwert von Herrn Blauguhl nochmals kontrolliert. Nicht zufriedenstellend war das gewesen und so beschloss ich zur Sicherheit über die Nacht noch zwei Blutkonserven anzuhängen.
Gegen 22.30 Uhr war ich dann auch im Besitz genannter Konserven, füllte einen Haufen Formulare aus und machte mich auf den Weg zu Herrn Blauguhls Zimmer. Herr Bauguhl und seine Zimmernachbarn waren Verfechter des Mottos „Der frühe Vogel fangt den Wurm“ und hatten sich deshalb rechtzeitig zur Ruhe gelegt. Nicht gewillt die unbeteiligten Bettnachbarn unnötig mit grellem Licht aus dem Tief- oder vielleicht auch nur REM-Schlaf zu reißen, flüsterte ich in Herrn Blauguhls Richtung:
„Herr Blauguhl, können sie mal das kleine Licht an ihrem Bett anmachen?“
„WAS?! Ich soll mein Bett machen?“
„Nein, nein können sie das Bettlicht anmachen?“
„ICH SOLL MEIN BETT MACHEN??!“
„NEIN! Ich brauche nur etwas Licht um …“
„ICH SOLL MEIN BETT NICHT MACHEN?!“
Während dieser Diskussion stand ich nun schon viel zu lange im stockdunklen Zimmer herum. Herrn Blauguhl Nachbarn schliefen auch nicht mehr und begannen ihrem Zimmernachbarn Tipps zu geben, wie man besagtes kleines Licht am Bett anmachen könne. Hier gab ich dann auf und schaltete das große Zimmerlicht an.


Samstag, 20. Februar 2016

Schon wieder so eine Kanülendiskussion



Frau Globboz war edel und auch etwas eigen.
Gerade befand ich mich in einer langen und zähen Diskussion über die Notwendigkeit so eine Kanüle. Glücklicherweise konnte ich mir einen Stuhl besorgen, sonst hätte ich inzwischen schon 20 min neben dem Bett rumgestanden.
Also jetzt saß ich eben daneben rum und sagte Dinge wie: „Das mit dem Antibiotikum machen wir ja nicht aus Spaß und Freude an der Sache.“ oder auch „Wollen sie sterben?!“ und „Sie gehen mir so langsam etwas auf die Nerven.“ Nein das sagte ich nicht. Ich hatte echt viele unglaublich tolle Argumente und mit meiner unendlichen und ärztlichen Klugheit schien sich die 20 min Diskussion doch auszuzahlen.
ABER:
„Also, hm naja, ich weiß auch nicht, sie sind ja auch nur so ein Assistenzarzt.“
„Und?“
„Von Ihnen lasse ich mir keine Kanüle legen!“
„OK? Und wer darf das dann?“
„Jaaaa, wenn das unbedingt sein muss, der Oberarzt.“
„Ah.“
„Aber nur, wenn er gut aussieht, der Oberarzt!!“
„Oh, ähm, ja selbstverständlich. Öh, sehr gutaussehend ist er unser Oberarzt. Schicke ich ihnen gleich nachher vorbei.“
Der Oberarzt fand das zwar nicht so lustig wie ich, schien aber trotzdem den Ansprüchen der Frau Globboz zu genügen und legte erfolgreich die blöde Kanüle.


Samstag, 13. Februar 2016

Prolongiert und postoperativ


Frau Wimpelstein wäre sonst eigentlich ganz normal. Ziemlich alt (so 90 oder so), aber normal. Und unauffällig. Seminett. Sagten die Angehörigen. Nachdem sie jetzt aber erst von den Chirurgen ein neues Hüftgelenk bekommen hatte und im Anschluss aber kein Diuretikum, landete Frau Wimpelstein auf einer internistischen Station mit Wassereinlagerungen und prolongierter, postoperativer Verwirrtheit. Außerdem irgendwie Bauchschmerzen.

Ich setzte mich neben Frau Wimpelstein und versuchte ein sinnvolles Gespräch.

„Aufhängen sollte man die Alle!“, schimpfte die Dame missmutig.

„Oh wie bitte?“

„Na gut, sie nicht Frau Doktor. Aber die anderen.“

„Hmhm, ähm sprechen wir doch über was Anderes. Vielleicht machen wir wegen der Bauchschmerzen nachher mal einen Ultraschall.“

„WAS wollen sie machen?!“

„Einen Ultraschall! Um nach dem Bauch zu schauen!“

„WAAAAS?!!?! Glauben sie etwa ich bin schwanger?!!?“


Sonntag, 7. Februar 2016

Das Versterben von Frau Giordano


Um 10 Uhr und 25 Minuten erlag Frau Giordano ihren schweren Grunderkrankungen, welche unter anderem einen Tumor der Niere, Diabetes, eine schwere Herzinsuffizienz, ein Glaukom des rechten Auges und 20 weitere nicht weiter aufgeführte Punkte beinhalteten. Kombiniert mit einer großzügigen Lungenentzündung hatten diese nun zu ihrem Tode geführt. Frau Giordano war außerdem ungefähr 90 Jahre alt, ihr Versterben nicht völlig unerwartet und fand zudem im Beisein ihres Sohns und der Tochter statt, so dass alles halb so dramatisch war. Dachte ich.

Dies trug sich zu auf meiner Station, während ich Visite machte und meinen Visitenwagen hin und herschob. Ich bestätigte den Tod von Frau Giordano und versprach den Schwestern in zwei, drei Stunden die zweite Leichenschau zu vollbringen. Frau Giordano würden wir solange auf der Station lassen, damit sich die Familie noch etwas verabschieden könne. Ein unglaublich guter Plan. So wie alle meine Pläne.

Drei Stunden später eilte die Schwester panikartig herbei, ob ich denn nicht bald meine endgültige und finale Leichenschau vollbringen könne, die Situation laufe gerade nun so langsam etwas aus dem Ruder und man wolle Frau Giordano möglichst schnell in die Pathologie im Keller verfrachten.

„Huä, wieso? Siehst du nicht, ich analysiere gerade dieses äußert wichtige aber völlig verwackelte Belastungs-EKG, Schwester?! Hier könnte sich zum Beispiel eine neu aufgetretene ST-Streckenhebung verbergen. Oder aber der Patient ist hier vom Ergometer gefallen.“

Die Schwester war aber sehr persistent und in Kürze schlossen sich ihr ein Haufen weiterer Schwestern an, deswegen legte ich dann das Belastung-EKG weg, das außerdem zu viele Zacken an falsche Stelle  enthielt und ging hin, das Begehr der Schwestern zu erfüllen. Im Flur traf ich auf vier aufgelöste vermutlich Enkel Frau Giordanos und dann betrat ich das Zimmer, wo mich eine Wand an Menschen erwartungsvoll anstarrte. Nicht gewillt eine öffentliche Leichenschau vor großem Publikum zu performen, erklärte ich, ich bräuchte, den Raum jetzt für mich alleine. Die Menge nickte respektvoll und defilierte langsam an mir nach außen: Frau Giordanos Geschwister, Töchter und Söhne , Leute, die Familie Giordano einfach so Beistand wünschten, fünf kleine Kinder, drei Babys, zwei Kinderwagen, noch mehr Leute, Enkel und Enkelinnen, Nichten und Neffen, weitere Leute.

Ich vollbrachte, was ich vollbringen wollte, ging wieder raus, vorbei an vermutlich 100, naja vielleicht auch 60 Leuten, die alle ratlos im Flur rumstanden und fragte freundlich ob es ok, wäre, wenn wir Frau Giordano nun nach unten brächten. Das war es zum Glück und so verhinderten wir anscheinend die Ankunft weiterer 60 Verwandter, wie mir danach ein Sohn anvertraute.

Im Anschluss mussten wir nur noch anderer Patienten Angehöriger Verwirrung beruhigen, ob der vielen südländisch aussehender Menschen in unserem Flur: Nein! Nein, das wären keine Asylbewerber gewesen, die gerade eine öffentliche Führung durch das Krankenhaus erhalten hätten. Ernsthaft.