Samstag, 31. Oktober 2015

Dieser Superplan mit dem CT



Es war Montag und mein erster Tag auf dieser Station. Einer meiner Patienten litt laut der Schwester schon das ganze Wochenende unter Atemnot und ich rief meinen Oberarzt an, der den Patienten schon von der Vorwoche kannte. Ob es hier schon einen strategisch durchdachten Plan gab, was wir nun veranstalten sollten.
Wir versuchten dann dieses und jenes Medikament und nahmen noch mehr Blut ab, das insgesamt recht schlechte Resultate zeigte, so dass mein Oberarzt am Spätnachmittag rief: „Na dann machen wir morgen eben eine Computertomographie der Lunge!“
Da mein Patient nun aber zusätzlich mittelmäßig dement war, für das CT aber eine Einwilligung von Patient oder bevollmächtigtem, sonstigen Verantwortlichen vorliegen muss, rief ich nun die Angehörigen an.
Ans Telefon ging auch gleich der Sohn, welcher vorwurfsvoll rief, man wolle ja schon seit drei Tagen mit einem Arzt reden, aber es käme ja keiner! Huä, dachte ich, ich war doch den ganzen Tag da. Mit mir wollte keiner reden! Der Sohn schien hier etwas verplant zu sein. Naja, sagte ich, jetzt sprächen wir ja miteinander und blabla, wir dächten daran so ein CT der Lunge bei seinem  Vater… „WAS?!“ rief der Sohn nun empört, „das haben sie doch letzte Woche schon gemacht!“
„Ahm hm“, sagte ich, „letzte Woche war ich nicht da.“ Was eine dumme Ausrede war. Dann schaute ich im System nach und es war auch wirklich ein CT von Donnerstag vorhanden. Die Radiologen hatten hierfür zwar noch keinen Befund erstellt, aber es gab einen Haufen Bilder. Schwarz-weiß. Fünfhundert oder so.
„Ah ja“, sagte ich zum Sohn, „da haben sie recht. Ich werde sofort mit den Radiologen Kontakt aufnehmen wegen des Befundes.“ Dann ärgerten wir uns beide im Anschluss wirklich ganz grässlich, wenn auch über unterschiedliche Dinge.
Warum der Patient Atemnot hatte, haben wir trotzdem nie so richtig herausgefunden und insgesamt ist das wirklich eine sehr deprimierende Geschichte, aber ich habe sie trotzdem aufgeschrieben. 


Samstag, 24. Oktober 2015

Flieg Engelchen, flieg!



Herr Foihaduk war von einer Leiter gefallen. Im Anschluss hatte er einen Herzinfarkt erlitten. Oder so ähnlich. Vielleicht auch anders herum. Auf jeden Fall war das Ende der Herzinfarktbehandelung in greifbarer Nähe. Ich terminierte noch zwei Tage bis zur Entlassung und schrieb ein chirurgisches Konsil: „Liebe Unfallchirurgen, hier wie besprochen das Konsil: Herr Foihaduk, welcher von der Leiter fiel und sich hierbei eine hässliche Wunde am Knie zuzog (ganz zu schweigen von diesem gräulichen Herzinfarkt) geht in zwei Tagen in die Reha. Ihr wolltet das Knie ja vor Entlassung nochmal anschauen. Also: Nicht vergessen!!“
Ein Tag vor Entlassung riefen sowohl ich als auch die Schwester (ich weiß in einer genderoptimierten Welt wäre das jetzt ein Pfleger oder zumindest ein geschlechtsneutraler Roboter), also diverse Leute riefen mahnend die Chirurgen an, wegen des Konsils und dass Herr Foihaduk um 15 Uhr vom Krankentransport am Folgetag dahintransportiert werden würde. „Jaja“, sagte die Chirurgen, „regt auch  nicht auf. Das klappt super.“
Es kam nun der Entlasstag und mein perfekter Entlassbrief ruhte im PC, auf die Vollendung des Satzes: „Von chirurgischer Seite wird empfohlen…“ wartend.
Dann riefen wir noch mal die Chirurgen an.
„KEIN STRESS!“
Dann sagte mein Oberarzt: „Wir machen Visite um 14.30 Uhr. Seien sie pünktlich!“
Dann rief ich noch ungefähr fünf Mal bei den Chirurgen an und gegen 13 Uhr wurde Herr Foihaduk zu den Chirurgen beordert.
Super, dachte ich, das passt wunderschön in meinen ausgeklügelten Zeitplan. Ich kann in Ruhe den Satz: „Chirurgische Knieempfehlung: blabla…“ beenden, den Brief ausdrucken und rechtzeitig zur Visite erscheinen, während das DRK oder ein sonstiges Konkurrenzunternehmen Herrn Foihaduk hinwegtransportiert.
Natürlich war mein Patient um 14 Uhr immer noch nicht zurück.


„Jaaaa“, sagte die chirurgische Schwester am Telefon, „der Chirurg, der war noch im OP. Der fängt jetzt erst an. Jaaaaa. Ihr Patient kommt gleich dran.“
Um 14.15 Uhr wurde die Lage langsam kritisch und ich begab mich in die chirurgische Abteilung, wo ich mich prominent hinter den Chirurgen stellte und erklärte ich würde jetzt solange im Weg stehen bleiben, bis ich das blöde Konsil hätte. Bevorzugt in 5 Minuten. Der Chirurg gab mehrere männliche Chirurgenkommentare von sich, beschloss aber tatsächlich das Konsil sofort zu vollbringen und übergab mir die chirurgische Empfehlung mündlich. Jetzt war es 14.28 Uhr und die Schwestern, welche in großer Spannung die Ereignisse verfolgt hatten und von der drohenden Oberarztviste in zwei Minuten sowie der ebenso nahenden Abholung von Herrn Foihaduk wussten, riefen mir motivierend: „Renn, Frau Zorgcooperations, renn!“ hinterher.
(Was mir hier einfällt: Einmal musst ich von einem verspäteten Zug zum nächsten Rennen. Da war ein komischer Mann, der rief mir damals: „Flieg, Engelchen, flieg!“ hinterher. Aber ich konnte mich da nicht mehr umdrehen und „WTF?!!“ rufen, weil ich sonst den anderen Zug verpasst hätte.)
Also ich lief sehr zügig durchs Krankenhaus, sodass alle dachten ich wäre ultimativ unterwegs ein Leben zu retten, sprintete an meinem verdutzen Oberarzt vorbei ins Arztzimmer, vollendete den letzten Satz des Briefes, drückte auf Drucken  und während mein Oberarzt vermutlich dachte: „Idioten, ich bin von Idioten umgeben. WAS MACHT SIE DA?!“, eilte schon wieder nach draußen, vollbrachte eine elegante Zweifachfaltung des Briefes, stopfte alles in einen Briefumschlag und meldete mich dann erfolgreich zur Visite.

Sonntag, 18. Oktober 2015

Alte Leute mit Malaria?

Und dann war da dieser Patient und unser Labor rief an und sagte: „Joa, euer Patient, der hat Malaria.“
„Woah, woah!“ sagte mein Oberarzt, „wir behandeln keine Patienten mit Malaria. Die verlegen wir alle in die Tropenklinik!“
Echt jetzt?
Wir, das hieß in jedem Fall ich. Nachdem dies mein erster Patient mit Malaria war, hatte ich prinzipiell keinen Plan und fragte freundlich die Pforte, ob sie mich mal mit einer ähm nahegelegenen Tropenklinik verbinden würde. „Öh ja“; sagte die Pforte und drückte auf den Verbindenknopf.
„TropenINSTITUT, wichtige Stadt rechts von Beteigeuze, hallo?“
Institut ist ja fast wie Klinik. Die grimmige Dame des Tropeninstitutes besaß aber die Nummer der Tropenklinik, welche sie mir auch gab und ich rief erneut wo an.
„Tropenklinik, wichtige Stadt rechts von Beteigeuze, hallo?“
Haha, das hörte sich besser an und ich erklärte, ich wolle meinen Malariapatienten gerne in die Tropenklinik verlegen.
„Hmhm“; sagte die Pfortendame, „na gut ich verbinde sie mit einem Arzt.“
„Dienstarzt hallo?“
„Ja ich möchte diesen Malariapatienten verlegen…“
„Ja nö.“
„Nö?“
„Sie sind hier in der Geriatrie.“ (Die Geriatrie der Tropenklinik?!?!!!)
„Aber ihre Pforte hat mich verbunden.“
„Oh. Hm also das tut mir Leid. Aber wie gesagt. Geriatrie. Alte Leute und deren Gebrechen. Sie wissen schon?“
„Alte Leute mit Malaria?“
„Haha. Sie müssen in die Tropenabteilung. Leider kann ich sie nicht mehr zurückverbinden.“
Grm. 



Ich rief erneut die Tropenklinikpforte an und die Empfangsdame erklärte sie habe mich doch mit dem zuständigen Dienstarzt verbunden! Was ich eigentlich wolle. Eine exzellente, gute Verbindung wäre das gewesen.
Seufzend durchsuchte die Dame nun diverse Verzeichnisse und erklärte schließlich grimmig: „Na gut, dann verbinde ich sie eben mit Dr. Häfele PERSÖNLICH!!“
Oh Freude, Dr. Häfele war tatsächlich Tropenmediziner und erklärte ich dürfe gerne meinen Malariapatienten umgehend vorbeischicken.

Sonntag, 11. Oktober 2015

Beteigeuze – Live: Sternenexplosionen vertont



Da machte ich also meine Visite und stand mit Visitenwagen, Krankenschwester und einem mir unbekannten Krankenpflegepraktianten prominent im Patientenzimmer.
Vor uns lagen drei Patienten. Herr Gahnzaff mit kardialer Dekompensation, Herr Grunzahf mit kardialer Dekompensation und Herr Müller mit hochgradiger Demenz, deren Grad so hoch war, dass keiner so recht wusste WARUM Herr Müller überhaupt hier war. Herr Müller am wenigsten.
Der Lärmpegel des Zimmers überschritt den gesetzlich vorgeschriebenen Immisionsrichtwert für Krankenhäuser um ungefähr das doppelte, wovon sich vor allem die Herren Gahnzaff und Grunzahf beteiligten, indem sie sich in hoher Lautstärke am lokalen Radioprogramm erfreuten. Radioprogramm unterschiedlicher lokaler Sender. (Beteigeuze Oldies und Beteigeuze – Live: Sternenexplosionen vertont).
Betäubt durch diesen Stereo-Lärm versuchte ich irgendetwas zu fragen, wie zum Beispiel: „Wie geht es Ihnen Herr Gahnzaff?“ Und „KÖNNTEN SIE DAS RADIO MAL AUSMACHEN?“
Irgendwie war es dann leiser und wir diskutierten nun den persistierenden Durchfall von Herrn Gahnzafff. „Tee“, sagte ich, „solange sie Durchfall haben, versuchen wir es mal mit Zwieback und Tee.“
„Kaffee?“ fragte Herr Gahnzaff verwirrt.
„Nein, nein Tee!“
Herr Ganzhaff verwickelte mich nun in eine Diskussion über die verschiedenen, verfügbaren Teesorten und welche bei Stuhlgangsproblemen zu empfehlen seien.
„BIER!“ rief hierauf plötzlich Herr Müller am Fenster. Bier, das sei optimal bei Durchfall.
Ich schrieb dann irgendwas in die Patientenkurve und floh aus dem Zimmer.


Samstag, 3. Oktober 2015

Ha. Das sagen sie jetzt!


Eines der wichtigsten Telefone in der Klinik ist das Dienstarzttelefon. Das war jetzt aber kaputt und ich nahm frohgemut Kontakt mit der Krankenhaustechnik auf. Die Techniker waren auch echt supernett, konnten das Problem aber nicht beheben und verwiesen mich schließlich an den Telefonbeauftragten:

Z: „Das Dienstarzttelefon geht dauernd von alleine aus, teils mitten im Gespräch und das trotz geladenem und mehrfach getauschtem Akku.“
T: „Der Akku ist trotzdem leer/Sie laden das Telefon falsch./Sie gehen mit dem Telefon nicht sorgfältig genug um.“
Z: „Nein.“
T: „Laut Dienstanweisung müssen sie einen Piepser mit sich tragen. Da sind sie doch erreichbar!“
Z: „Und wenn jetzt der Notarzt oder ein Hausarzt von außerhalb anruft?“
T: „Dann geben sie dem eben eine andere Nummer auf der er anrufen soll. Am besten einen Festnetzanschluss.“
Z: „Wir laufen im Haus auch rum. Da wäre die Erreichbarkeit wichtig.“
T: „Wenn der Notarzt anruft und sie telefonieren, dann ist es für den Notarzt auch besetzt. Dann sind sie auch nicht erreichbar!“
Z: „Wir brauchen ein funktionierendes Telefon.“
T: „Wir haben jetzt ja schon einmal alles bis auf die Simkarte getauscht. Sagen sie mir was ich jetzt noch reparieren soll!“

[….]

T: „Gut und hier extra für sie ein anderes Modell, wenn sie das unbedingt wollen. Aber das ist nicht so gut, das sage ich ihnen gleich. Da lösen sich mit der Zeit die Tasten auf.“
Z: „Ja sofern es sich beim Telefonieren nicht abschaltet, wäre mir das egal.“
T: „Ha. Das sagen sie jetzt!!“